2010 rubrecht

2010 • Malerei | Grafik

Manfred Maria Rubrecht

Schlüchtern 1945

www.atelier69.org



Manfred Maria Rubrecht

"Meine Bildsprache ist der Mensch, den ich gerne durch die humoristisch-kritische Brille abbilden möchte", sagt Manfred Maria Rubrecht. "Ich möchte den Menschen interpretieren, nicht nur abbilden. So entstehen Portrait-Serien, die zeitbezogene Themen bearbeiten und bei denen die malerischen Aspekte auf das Wesentliche reduziert werden."

"Sein Interesse gilt der Emotion" kommentiert Künstlerkollegin Dorle Obländer, "deren klarster Ausdruck sich im Gesicht findet. Lachen, Gleichgültigkeit...". Hinzu kommen Begeisterung, Angst, Verzweiflung oder einfach Frust. Wie Manfred Maria Rubrecht die Eigenheiten seiner Gegenüber "herauskitzelt" beschreibt sehr anschaulich der Kunstkritiker und Freund Roland Held. "Wer von Rubrecht zum Modellsitzen ins Atelier eingeladen wird, mache sich darauf gefasst, zum Objekt in einem groß angelegten Feldversuch zu werden. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen."

Schritt eins der Methode: "Wenn ich jemanden portraitiere, muss ich ihn erst vor mir haben, leibhaftig. Ich will mich mit ihm unterhalten, will ihn aus wechselnden Blickwinkeln kennenlernen und bei unterschiedlicher Beleuchtung." Schritt zwei: zur Gedächtnisstütze werden Fotos gemacht. Schritt drei: Serie "Lachende" geschildert von Roland Held:

"schließlich treibt Rubrecht sein Gegenüber in eine vorbestimmte Richtung, mit den, wenn nicht immer gleichen Requisiten, vor allem mit der immer gleichen Aufforderung "Lach los!" Gefolgt von einem ungesäumten Sich-ins-Zeug-legen des gehorsamen Versuchsobjekts, von einschlägigem Züge-Verzerren und Töne-Ausstossen, Konvulsionen und donnernden Salven, bis der Kopf rot anläuft und der ganze Kerl schier platzt."

Das Ergebnis dieser herausfordernden Session kann man in dem Bildband "Porträts" (Cocon Verlag, Hanau 2009) auf Seite 63 betrachten. Von der sandfarbenen Grundierung ragt über der sockelhaft-schwarzen Schulterpartie der Kopf von Roland Held heraus, voluminös, fleischig, der Mund in herzhaftem Gelächter weit offen, die tiefe Mundhöhle ein schwarzes Loch, die Augen hinter der intellektuellen Brille zu Schlitzen verengt. Wüsste man nicht, dass dieses Portrait Teil der "Lachserie" ist, es könnte in einem anderen Kontext auch ein Bild des Jammers oder tödlichen Erschreckens sein.

"Man verzeiht Manfred Maria Rubrecht die massenhafte Manipulation seiner Modelle nur aus einem Grund", resümiert Roland Held, "er schont sich selbst nicht, macht er sich doch - sogar am häufigsten, tendenziell groteskesten - Objekt seiner Versuchsreihen, gibt er doch auch sich, ohne eitlen Vorbehalt, lachend der Lächerlichkeit preis."

Manfred Maria Rubrecht wurde wenige Monate vor Kriegsende 1945 in Schlüchtern geboren. Noch im gleichen Jahr kehrte er mit seiner Familie zurück in deren eigentliche Heimatgemeinde, nach Großauheim. Von 1959 bis 1962 machte er im grafischen Betrieb von Kaspar Strasser eine Ausbildung zum Farblithograph. In der folgenden Zeit arbeitete er in verschiedenen grafischen Betrieben der Region und belegte gleichzeitig Kurse an der Hanauer Zeichenakademie, um sich im Sachzeichnen weiter zu bilden. Von 1967 bis 1969 besuchte er die renommierte Staatliche Hochschule für Bildende Künste, die Städel Abendschule bei Prof. Walter Hergenhahn. Von 1970 bis 1974 lebte er in Darmstadt, wo er sich dem Kunstverein anschloss und sich seit 1972 an dessen Ausstellungen in der Kunsthalle so wie auf der Mathildenhöhe beteiligte. Seit 1975 freischaffend tätig, landete er eine erste Einzelausstellung - mit surrealistischen Zeichnungen - 1976 in der Galerie Hild in Hanau-Wilhelmsbad.

Stillleben, Aktdarstellungen und eine Reihe von Portraits, meistens in Pastell gehalten, entstanden in dieser Zeit. Mitte der 1980er Jahre rückte der Mensch mit der Serie "Alltagsgesichter" in den Mittelpunkt. Immer mehr und immer öfter malte er Selbstportraits, in denen er als Stilmittel die Kostümierung und die Maskerade einsetzte. Der Maler als sein eigenes Modell hat kunsthistorisch eine lange Tradition und beinhaltete immer auch einen Akt der Selbstbefragung und der Selbstversicherung.

1993 baute Manfred Maria Rubrecht sich sein eigenes Ateliergebäude im Garten seines Denkmalgeschützten Elternhauses im Auwanneweg 69. Sein bisheriges Studio im Parterre des Wohnhauses verwandelte er in eine Galerie mit dem Namen "Kunstraum69", die er mit seiner Frau Marie betreibt. Hier präsentiert er seitdem eigene Arbeiten, aber auch Werke anerkannter Künstlerinnen und Künstler. Außerdem initiierte er die "Großauheimer Kunststationen", eine alljährliche Projekt-Kooperation Großauheimer Ateliergalerien, die seit zwölf Jahren funktioniert.

Seit 1972 hat er seine Bilder in 32 Gemeinschaftsausstellungen gezeigt, darunter in der russischen Partnerstadt Jaroslawl und im französischen Bouxwiller beim Kunstaustausch Elsass-Hanau. Im gleichen Zeitraum bestritt er 18 Einzelausstellungen, vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet.

2002 erhielt er den Cläre-Roeder-Münch-Preis für Bildende Künste der Stadt Hanau verbunden mit einer Einzelausstellung in der Galerie Schloß Philippsruhe. 2003 erregte er Aufmerksamkeit mit dem Projekt "Amorbacher Profile" zu dem er 40 Amorbacher Bürger, vom "Schoppekarl" bis zur Fürstin Eilika zu Leiningen und deren Familie portraitierte.

2008 beteiligte er sich an dem Projekt "ApfelWeinKunst" bei dem sechs namhafte Künstler der Region Etiketten für das heimische "Stöffche" entwarfen. Die Ergebnisse publizierte Jörg Stier in dem gleichnamigen Buch, das auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Hessischen Sonderpreis ausgezeichnet wurde. In diesem Zusammenhang filmte das hr Fernsehen Rubrecht bei der Arbeit in seinem Atelier in Großauheim.

Ruth Defoy