1997 rao karg

1997 · Kunst

Barbara Rao-Karg

Hermagor 1946 – Ludwigsburg 2001



Barbara Rao-Karg

"Eigentlich sind meine Arbeiten unmissverständlich, auf Deutlichkeit angelegt. Ich bearbeite, was der Tag mir zuträgt. Nichts Extravagantes, sondern Gefundenes in Farbe, Form, Geschichte, Spuren, Erahntes, Gewusstes, Bewusstes, Gesehenes, Erlebtes, Klangräume, Objekte. Bilder erzählen von meiner Wirklichkeit. Wenn jemand daran anknüpfen kann, habe ich meine Arbeit gut gemacht. Wenn nicht — arbeite ich trotzdem weiter".

Dies schrieb Barabara Rao-Karg 1998 in dem Katalog zu der Ausstellung "luft-dicht" anlässlich des 10jährigen Bestehens der Kunstwerkstatt Nidderau als Kommentar zu ihrer Arbeit "Herrn Sloters Gartenstühle."

Die Künstlerin ließ sich zu ihren Installationen von Fundstücken anregen, deren Formen veränderte sie mit Farben, kombinierte sie zu Hänge- und Stellmustern und ergänzte die optischen Impressionen mit akustischen Effekten. Mittels der Kombination von Materialien mit Farbenspiel, Licht und elektronischen Klängen löste sie die Objekte aus ihrem ursprünglichen Kontext, entfremdete sie von ihrer Funktion und eröffnete neue Dimensionen der Wahrnehmung.

Ein herausragendes Beispiel für diese Vorgehensweise bildete 1992— 93 die "Werkgruppe Spindeln", die sie während des 1. Ronneburg Symposions Bildender Künstler schuf. Die ehemalige Spinnstube der Burg, Raum der Frau, Raum der lebendigen Arbeit, verwandelte sie mit 4.021 variablen Teilen in einen Ort umfassender Sinnlichkeit. "Aus einer hinteren Kammer," — so die Schilderung im Katalog —, "bevölkerten 4000 Spinnspulen die lange, enge Stube. Dicht an dicht, aber ohne erkennbare Ordnung, bedeckten die — zuvor in einer Autolackiererei blau gesprühten — Miniaturkegel, den gesamten Boden (…) Flirrende Reflexionen auf den morbiden, kalkweißen Wänden und helle Lichtringe auf den Öffnungen der Spulen spielten mit den Tönen der Klanginstallation, die beim Betreten der Türschwelle ausgelöst wurde (…) Barbara Rao-Karg verband mit der Spule die Simultaneität des sonst Unterschiedenen. Die Spule als Zeichen der Spinnstubengeschichte, die Spule als Turm, die Spule als Synonym für die geistige Tradition der Burg, die blaue Spule als Metapher der metaphysischen Suche nach Freiheit und Lebenssinn. Stellvertretend auch für die spirituelle Erfahrung des Kosmos und die Selbstreflexion der Frau setzte Barbara Rao-Karg die Spule als singuläres Wesen, das sich seinen Platz in der nur scheinbar konformen Masse behaupten muss."

Barbara Rao-Karg wurde 1946 in Kärnten geboren. Während der Schulzeit nahmen ihre Lehrer das Talent wahr, nicht aber ihre Eltern. Letztere sandten sie auf die Handelsschule, "um später auf dem Finanzamt eine gute Stellung bis zur Heirat zu bekommen." Nach einem Studienaufenthalt in Holland, wo sie das dortige Kroller-Müller-Museum besuchte, beschloss sie ihren eigenen Weg zur Kunst zu suchen.

Die erste Station war England, hier arbeitete sie als Au-pair-Mädchen in London, machte ihren Abschluss in Englisch und heiratete 20jährig den Physiker Dr. Rao. Sie zog mit ihm nach USA, arbeitete in der Modebranche, eröffnete 1969 ihr erstes Atelier und studierte an der University of Arizona Kunst mit Schwerpunkt Malerei und Bildhauerei.

Sie schloss 1978 mit summa cum laude ab und belegte später in einem zweiten Studium auf der University of California Kunstgeschichte, spezialisierte sich auf die Kunst der Antike, die Kunst des 20. Jahrhunderts und auf Kunsttheorie. 1985 schloss sie wiederum mit summa cum laude ab. In der Zwischenzeit führten sie Reisen nach Indien, Kanada, Mexiko, Guatemala, Griechenland, Frankreich und Italien. Sie befasste sich mit indischer Kunst und Mythologie, vergleichender Religionswissenschaft und Kulturanthropologie. Vier Monate verbrachte sie in der Künstlerkolonie Mamallapuram in Südindien.

Gleichzeitig war sie in den USA sehr erfolgreich und zeigte ihre Arbeiten in vielen Galerien an der West- und Ostküste. 1979 trennte sie sich von Dr. Rao und heiratete 1981 den Filmproduzenten Jürgen Karg. Sie übersiedelte nach Frankfurt, bekam Sohn Michael und Tochter Lisa, zog 1986 nach Nidderau und eröffnete wieder ein eigenes Atelier.

1987 war sie Mitbegründerin der Kunstwerkstatt, wurde deren Vorsitzende und Pressesprecherin. Sie hat in diesen Funktionen eine Informationsbörse für Kulturschaffende initiiert, hat Workshops, Seminare, Exkursionen und Ausstellungen organisiert. Sie hat mit diesen Aktivitäten ein "qualitätsvolles künstlerisches Klima im Main-Kinzig-Kreis" geschaffen, wie Landrat Eyerkaufer in seiner Laudatio hervorhob.

Nach dem Umzug der Familie nach Ludwigsburg war sie anlässlich der Kulturpreisverleihung an Sigrid Schraube 2000 das letzte Mal in Nidderau und Schöneck. Viele Freunde konnten sie dort das letzte Mal sehen und mit ihr sprechen. Für viele unfassbar hat sie sich im Januar 2001 das Leben genommen.